Ludwig muss zittern

Gastkommentar von Johannes Huber. Eine schwächelnde SPÖ und eine stärker werdende FPÖ – auch für den Wiener Bürgermeister wird der Trend bedrohlich, der sich nun in Niederösterreich verfestigen könnte.

Ludwig muss zittern

Es ist nicht lange her, da stürzten die Sozialdemokraten bei einer Wiener Gemeinderatswahl auf weniger als 40 Prozent ab, während die Freiheitlichen zu mehr als 30 Prozent kamen. 2015 war das: Die SPÖ erreichte 39,6, die FPÖ 30,8 Prozent. Bürgermeister war noch Michael Häupl (SPÖ). Was folgte, verstärkte die Sorge in seiner Partei, dass sie erstmals in der jüngeren Geschichte die Führung über die Stadt verlieren könnte. Immerhin erzielte die FPÖ weitere Erfolge bei diversen Wahlen und triumphierte auch die ÖVP unter Sebastian Kurz. Ein freiheitlicher Bürgermeister in der Bundeshauptstadt schien nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Natürlich: Ein Wechsel wäre Demokratie gewesen. Für die SPÖ aber hätte es sich um eine Katastrophe gehandelt.

Häupl-Nachfolger Michael Ludwig bemühte sich entsprechend, der FPÖ Wind aus den Segeln zu nehmen. Indem er sich dafür aussprach, dass sich Zugewanderte bei diversen Leistungen hinten anstellen müssen oder für ein Alkoholverbot auf dem Praterstern sorgte. Schlussendlich erledigte sich die FPÖ selbst. Stichwort Ibiza-Affäre. Bei der Gemeinderatswahl 2020 wurde sie einstellig, während Ludwig mit seinen Genossen wieder mehr als 40 Prozent zusammenbrachte.

Heute muss er befürchten, dass sich Geschichte wiederholen könnte: Bei den letzten beiden Landtagswahlen ist die SPÖ nicht vom Fleck gekommen. Sowohl in Oberösterreich als auch in Tirol hat sie kaum zugelegt. In Niederösterreich muss sie nun froh sein, wenn sie nicht durch die FPÖ überholt wird – was insofern bemerkenswert ist, als sie bisher um rund zehn Prozentpunkte vor dieser lag.

Die Freiheitlichen sind wieder im Kommen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird mit der Frage konfrontiert, was er tun würde, wenn sie bei der nächsten Nationalratswahl Erste werden und sich Herbert Kickl um einen Regierungsbildungsauftrag anstellen würde. Gleichzeitig macht sich in der Sozialdemokratie Ernüchterung breit: Pamela Rendi-Wagner hat sich schon zur Kanzlerkandidatin erklärt. Sich durchzusetzen, wird jedoch immer schwieriger für sie.

Michael Ludwig kann das alles nicht egal sein: 2015 sind die Freiheitlichen in Wien seiner Partei nahe, in weiterer Folge aber nicht zu einer blau-türkisen Mehrheit gegen die SPÖ gekommen, wie sie notwendig gewesen wäre, um das Amt des Bürgermeisters zu übernehmen. Jetzt setzen sie wieder zu einem Anlauf an: Wenn sie in Niederösterreich zulegen, haben sie gute Chancen, das bald auch in weiteren Bundesländern und damit auch Wien zu tun.

Da kann sich Ludwig nicht in Sicherheit wähnen, muss er frühzeitig reagieren. Zunächst wird er, der mit Abstand mächtigste Sozialdemokrat der Republik, eine Neuaufstellung der Bundespartei in die Wege leiten müssen; mit oder ohne Rendi-Wagner. Ziel muss es sein, der SPÖ den klar größten Stimmenanteil bei der kommenden Nationalratswahl zu bescheren. Dann muss er schauen, wie er der FPÖ in Wien Paroli bieten könnte. Anderenfalls riskiert er, auf längere Zeit der letzte rote Bürgermeister der Stadt zu werden. Wobei selbstverständlich wieder gilt: Es wäre Demokratie.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

Yayınlama: 27.01.2023
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