Die opportunistische Haltung der österreichischen Medien gegenüber Menschen türkischer Herkunft

Die opportunistische Haltung der österreichischen Medien gegenüber Menschen türkischer Herkunft

| Adem Hüyük

Die österreichischen Medien zögern nicht, das Bild, das sie von Migranten mit türkischem Hintergrund zeichnen, je nach politischer Konjunktur zu verändern.

Vor den Wahlen werden Menschen türkischer Herkunft als „passive Wähler, aber mit ausschlaggebendem Potenzial“ hervorgehoben, nach den Wahlen hingegen werden sie trotz einer deutlich geringeren Zahl von Delikten im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in den Schlagzeilen gezielt mit der Identität „Türke“ benannt und als „Schuldige“ dargestellt.

Damit fungieren die Medien als opportunistisches Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Wahrnehmung: Mal um Angst zu erzeugen, mal um die Verantwortung für Wahlergebnisse den Migranten zuzuschieben.

Verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei?

Die Pandemie und der Russland-Ukraine-Krieg haben in den EU-Staaten eine ernsthafte Wirtschaftskrise ausgelöst.

1968 nahmen die zunächst wirtschaftlich motivierten Studentenbewegungen schnell eine ideologische Dimension an und entwickelten sich zu einem großflächigen Aufstand, der in Kontinentaleuropa sogar einen Regimewechsel forderte. Aus dieser Erfahrung der sogenannten 68er-Bewegung haben die EU-Staaten gelernt und setzen verstärkt auf Diplomatie, um nicht erneut in eine ähnliche gesellschaftliche Erschütterung zu geraten.

In diesem Prozess wurde es für Österreich unvermeidlich, gute Beziehungen zur oft kritisierten und zeitweise sanktionierten Türkei aufzubauen. Obwohl NATO-Mitglied, ordnete sich die Türkei nicht vollständig in die Linie des Westblocks ein, sondern trat im Russland-Ukraine-Konflikt als Vermittler hervor und steigerte damit ihre internationale Bedeutung.

Aus diesem Grund legte Österreich seine lange anhaltende kritische Haltung beiseite und lenkte die diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Ankara auf eine positive Ebene. In dieser Phase betrieb Österreich eine so pragmatische Diplomatie, dass sie selbst seinen berüchtigten Vorfahren, Fürst Klemens von Metternich, der im 19. Jahrhundert Europa über 36 Jahre lang durch Intrigen prägte, übertraf.

Genau in dieser Zeit verzichteten auch die regierungsnahen Medien darauf, negative Schlagzeilen über türkische Migranten zu veröffentlichen.

Das Kalb ist tot, die Partnerschaft zerbrochen…

Österreichs optimistische Haltung gegenüber der Türkei wurde erstmals nach dem Besuch des Vorsitzenden der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbaş, in Wien erschüttert.

Vor den Wahlen zogen selbst Abgeordnete aller Parteien, einschließlich der rechtsextremen FPÖ, ihre gegen die Türkei gerichteten Aussagen oder veröffentlichten Materialien rasch zurück. Der Grund war das große Wählerpotenzial der Menschen türkischer Herkunft. Doch man hatte nicht einkalkuliert, dass diese zwar über ein großes Potenzial verfügen, aber eine niedrige Wahlbeteiligung zeigen.

Nach den Wahlen änderte sich das Bild. Mit der Verschärfung der Wirtschaftskrise fiel die Politik in alte Reflexe zurück. Die von Erbaş in Wien geäußerten und in demokratischen Gesellschaften nicht akzeptablen Aussagen wurden von den österreichischen Medien groß aufgemacht. Auch die Integrationsministerin reagierte scharf auf diesen Auftritt und erklärte Erbaş beinahe zur „persona non grata“.

In den letzten Tagen wird in Boulevardzeitungen das Wort „Türke“ auffällig betont – unabhängig vom eigentlichen Inhalt der Meldungen. Dies deutet darauf hin, dass Spannungen wie im Jahr 2015 wieder vor der Tür stehen.

Fazit: Beziehungen und 320.000 Menschen türkischer Herkunft

Die türkischen Diplomaten in Österreich, die den Entgleisungen in den diplomatischen Beziehungen tatenlos zusehen und vor Ort keine Präsenz zeigen, bleiben gleichgültig gegenüber einem Prozess, dessen Folgen sie selbst nicht zu tragen haben.

Am Ende wirken sich die Schwankungen in den österreichisch-türkischen Beziehungen nicht nur auf die staatliche Diplomatie aus, sondern auch direkt auf die 320.000 Menschen mit türkischen Wurzeln in Österreich. Medien und Politik betrachten diese Gemeinschaft mal als potenzielle Wählergruppe, mal als Sündenbock.

Und wir haben den Schmerz davon schon oft erlebt… | © Der Virgül

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