Wie viele IS-Anhänger gibt es in Österreich? | Wie viele sind Österreicher, wie viele haben türkische Wurzeln?

| Adem Hüyük

Die Radikalisierung und IS-nahe Strukturen bleiben weiterhin ein zentrales Thema der österreichischen Sicherheitsbehörden.

Während offizielle Daten nur begrenzt veröffentlicht werden, geben Gespräche mit Sicherheitskreisen dem Bild eine neue Dimension.

Offizielle Daten und Unklarheiten

Das Innen- und das Justizministerium veröffentlichen in den letzten Jahren lediglich Zahlen zu Festnahmen und Verurteilungen. Angaben über Staatsbürgerschaft, Herkunft oder soziale Zusammensetzung fehlen.
Die Frage „Wie viele sind österreichische Staatsbürger, wie viele haben Migrationshintergrund?“ bleibt somit unbeantwortet.

Diese Unklarheit führt dazu, dass muslimische Migranten pauschal unter Verdacht geraten. Tatsächlich gibt es aber auch Fälle, in denen Töchter und Frauen christlich-österreichischer Familien unter dem Einfluss von IS-Propagandisten in den Nahen Osten reisten und sich den Reihen des IS anschlossen.

Nach Einschätzung von Sicherheitskreisen und inoffiziellen Gesprächen mit dem Direktorat für Staatsschutz und Nachrichtendienst [DSN] werden IS-nahe Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft in zwei Kategorien betrachtet: im Inland und im Ausland.

Laut DSN-Berichten, die auf Informationen des Innenministeriums beruhen, befinden sich derzeit mehr als 100 österreichische Staatsbürger als IS-Kämpfer in Syrien und im Irak.

Österreichische Staatsbürger mit türkischen Wurzeln sind dabei nahezu nicht vertreten. Auffällig ist zudem, dass diese Differenzierung in offiziellen Berichten gar nicht erscheint.

Der Grund dafür liegt laut Einschätzungen darin, dass das politische Umfeld in Österreich den Begriff „politischer Islam“ häufig instrumentalisiert und verschiedene islamische Strömungen zur Diskussion stellt.

Ein bekannter Fall: Azad G.

2019 tauchte in einem von den YPG in Syrien veröffentlichten Video ein Kämpfer namens Azad G. auf, der aus Wien stammte und sich dem IS angeschlossen hatte.

Azad, in Österreich geboren und österreichischer Staatsbürger, erklärte, er stamme aus Dersim [Tunceli] und sei im alevitischen Glauben aufgewachsen. Berichten zufolge sei er durch eine tschetschenische Gruppierung überzeugt worden und über die Türkei nach Syrien gelangt.

Nach inoffiziellen Aussagen von DSN-Mitarbeitern gibt es unter in Österreich lebenden oder eingebürgerten Türken keinen weiteren dokumentierten Fall einer Radikalisierung mit Bezug zum IS oder zu den Muslimbrüdern – also keine Person, die [Gedanken in konkrete Taten umsetzte].

Jugendliche und das Risiko der Radikalisierung

Seit den Anschlägen von Paris 2015 wurden in Österreich türkischstämmige Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren unter IS-Verdacht festgenommen.

Allerdings war keiner dieser Jugendlichen in konkrete Taten verwickelt. Nach Einschätzung des DSN erfolgt der Radikalisierungsprozess bei Jugendlichen mit türkischen Wurzeln meist über Online-Propaganda, soziale Ausgrenzung und Identitätskrisen.

Präventive Rolle der ATIB-Moscheen

Nach inoffiziellen Einschätzungen von Sicherheitsdiensten erfüllt die ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kultur- und Sozialvereine in Österreich) trotz politischer Kritik die Funktion eines „Bremssystems“ gegen Radikalisierung.

Die Bewegung „Milli Görüş“ hingegen wird als „Opfer“ populistischer Innenpolitik bezeichnet, gilt aber wegen ihrer Haltung zu Geschlechterfragen als potenzielles Risiko.

Für die Union Islamischer Kulturzentren in Österreich [Süleymancılar] verwenden Geheimdienstquellen die Bezeichnung „Black Box“.

Obwohl sie derzeit nicht als Bedrohung für Österreich gilt, bleibt unklar, welchen Einfluss diese Bewegung im Falle veränderter politischer Rahmenbedingungen entwickeln könnte. Inoffiziellen Aussagen zufolge könnte die Strategie des türkischen Staates gegenüber dieser religiösen Bewegung auch in Österreich zu strategischen Entwicklungen führen.

Eine weitere Gruppe, auf die die Sicherheitsdienste aufmerksam machen, ist die Menzil-Gemeinschaft, die nach Deutschland nun auch in Österreich Fuß zu fassen versucht.

Im 11. Wiener Gemeindebezirk eröffnete sie einen Verein und veranstaltete kürzlich ein Treffen ausschließlich für Frauen, bei dem auch eine führende Persönlichkeit der Bewegung aus der Türkei teilnahm.

Sicherheitsbehörden zeichnen somit – anders als Politiker – ein klareres Bild über potenziell verfassungsfeindliche, fundamentalistische Strömungen.

Politische und gesellschaftliche Konsequenzen

Experten betonen, dass Sicherheitsmaßnahmen allein nicht ausreichen, um Radikalisierung zu verhindern. Politiken, die die soziale Rolle der Moscheen stärken und Jugendlichen ein Gefühl von Zugehörigkeit geben, können das Risiko verringern.

Auch wenn offizielle Stellen keine detaillierten Zahlen veröffentlichen, werfen Einschätzungen aus Sicherheitskreisen ein Licht auf die Herkunftsdimension von IS-Fällen in Österreich.

Die Unterstützung von Dachverbänden wie ATIB gilt als Schlüsselstrategie, um Radikalisierung zu verhindern. [Dies ist keine persönliche Meinung oder Kommentierung.]

Darüber hinaus wird betont, dass Kinder von Migrantenfamilien aus dem Balkan eine stärkere Neigung zur Radikalisierung zeigen.

2020: Der Anschlag in Wien

Am Montag, dem 2. November 2020, am Schwedenplatz in Wien – eine Person eröffnet mit einer automatischen Waffe das Feuer auf Passanten. Einen Tag später bekannte sich der IS zu dem Anschlag… Vier Menschen starben, 27 wurden verletzt.

Der Attentäter, der vor Ort getötet wurde, wurde als Kurtin S. identifiziert. Er wurde im Jahr 2000 in Wien geboren und wuchs dort auf.

Er war albanischer Herkunft, seine Familie stammte ursprünglich aus Nordmazedonien.

07.08.2024: Taylor-Swift-Konzerte in Wien wegen Terrorverdacht abgesagt

In der Stadt Ternitz (Bezirk Neunkirchen, NÖ) klingelte die Polizei frühmorgens an mehreren Wohnungstüren und ordnete die sofortige Evakuierung von Gebäuden an, darunter auch ein Seniorenheim – mit Verweis auf „Sicherheitsgründe“.

Grund war der Verdacht eines möglichen Anschlags auf das Konzert der US-Sängerin Taylor Swift in Wien.

Nach rund acht Stunden Einsatz wurde ein 19-jähriger österreichischer Staatsbürger mit nordmazedonischen Wurzeln festgenommen. Zeitgleich erfolgte in Wien die Festnahme eines weiteren 20-Jährigen, der mit dem Verdächtigen aus Ternitz in Verbindung stand.

Beide sollen Sympathien für den IS gehegt und einen Anschlag auf das zweitägige Konzert von Taylor Swift in Wien geplant haben.

Im Zuge der erweiterten Ermittlungen wurde auch ein 13-jähriges Kind mit türkischen Wurzeln in Wien festgenommen. Monate später wurde er unter Auflagen wieder freigelassen.

Fazit

In Österreich waren alle türkischstämmigen Verdächtigen, die unter IS-Verdacht festgenommen wurden, Kinder im Jugendalter…| ©DerVirgül

Yayınlama: 01.10.2025
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